Between the Lines - Indiens drittes Geschlecht
Von Thomas Wartmann
(Deutschland, Indien 2005)
Die Hijras sind
indische Transen, die es dort in großer Zahl gibt. Dieser
Dok-Film zeigt uns drei dieser Menschen, die sich weder als Männer
noch als Frauen sehen, sich aber ähnlich geben wie RuPaul oder
Divine. Kann man als Argument hernehmen, Indien weiterhin zu meiden,
ist natürlich aber auch…anrührend.
Hedy Lamarr - Secrets of a Hollywood Star
Von Dubini, Dubini & Obermaier
(SUI/ D/ CAN 2005)
Doku über
eine fast vergessene Filmschönheit der 30er und 40er Jahre. Hedy
war eigentlich österreicherische Jüdin und floh 1936 nach
Hollywood. Dort kam sie groß ´raus, heiratete sechs Mal,
ließ sich in den 60ern liften und von Andy Warhol anhimmeln. 2000
starb sie stilecht in Florida.
Hier bekommst du
die ganze Story von der bildschönen Hedy, die leider nie in einem
wichtigen Film zu sehen war, dafür aber in jeder Menge
Soldatenspinds. So richtig tragisch ist das eigentlich nicht, auch wenn
uns das die Filmemacher weismachen wollen, aber wie immer bin ich
fasziniert von einer ziemlich umfassenden Bio wie dieser.
Ich bin die andere
Von Margarethe Von Trotta
(Deutschland 2006)
Der Film ist
erwartungsgemäß: Katja Riemann als gespaltene
Persönlichkeit, die zu sehr an ihrem Vater (Armin
Müller-Stahl) hängt, aber von August Diehl begehrt wird.
Fassbinder-Autor Peter Märthesheimer schrieb hierfür sein
wohl letztes Drehbuch. Aber auch dies ist eine Altehrrenfantasie, die
wie ein Lore-Roman daherkommt: Papierne Dialoge, kein
nachbvollziehbarer Spannungsbogen, erfundene Gefühle und ein
bisschen angestaubte Gesellschaftskritik. Diese ganze Garde muss und
wird abtreten. Immerhin: Karin Dor und ihr ganzes Auftreten erinnert
mich an die alten Edgar-Wallace-Filme, aber das ist elider unfreiwillig
trashig.
Battle in Heaven
Von Carlos Reygadas (Originaltitel: Batalla en el Cielo)
(Mexico 2005)
Eine einzige
Seltsamkeit ist dieser Film über einen fetten Typen, der in Mexico
City seinem Ende entgegen geht. Explizite Sexdarstellung besorgte dem
Film Aufmerksamkeit in Cannes und wohl auch einen Verleih in
Deutschland. Man sieht den Dicken beim Sex mit seiner Zwei-Tonnen-Frau
ebenso wie mit einer Dreadlock-Schönheit. Sein Todesurteil ist,
dass er das Baby einer Nachbarin entführt und hat sterben lassen.
Manches erinnert hier an die katholisch-pornographischen Exzesse des
späten Pasolini, die Kameraarbeit ist exorbitant, der Klang
absichtlich nervenaufwühlend, die Story eher kryptisch und
reduziert. Komplett abstoßend, aber immerhin ungewöhnlich.
Mexiko scheint ein Land in völliger Unordnung zu sein,
Man muss mich nicht lieben
Von Stéphane Brizé (Originaltitel: Je ne suis pas là pour ètre aimé)
(Frankreich 2005)
Ein sog.
„kleiner“ Film über einen 50jährigen
Gerichtsvollzieher, der sich beim Tangokurs in eine Schönheit
verliebt, die eigentlich kurz vor der Hochzeit steht. Das ist so
berechenbar,dass man es streng genommen nicht ansehen muss. Aber
Knautschgesicht Patrick Chesnais und Prinzessin Anne Consigny sind
derart überzeugend, dass hier ein Film gelungen ist, der fast nur
über Andeutungen und Blicke funktioniert. Man muss ihn nicht
sehen, aber es schadet überhaupt nicht.
Volver
Von Pedro Almodóvar
(Spanien 2006)
Is nicht so gut,
im Grunde nur eine Variation über sein ewiges Thema „Frauen
und das Verhältnis zu Mutti“, hier gleich in verschiedenen
Konstellationen. Bemerkenswert finde ich, dass der Film wieder so
aussieht und wirkt wie die frühen Werke des Meisters, d.h. es
haftet ihm etwas Exotisches an, das eigentlich nur Cineasten
interessiert. Trotzdem ist A. so durchgesetzt, dass sich in den
deutschen Kinos die üblichen Verdächtigen auch in der zweiten
Woche immer noch um die Tickets prügeln.
High Tech Soul
Von Gary Bredow
(USA 2006)
Solide Doku
über Detroit Techno mit haufenweise Interviews aller wesentlichen
Protagonisten: Kevin Saunderson, Juan Atkins und Derrick May stehen im
Mittelpunkt und sind natürlich froh, ihre immense kulturelle
Bedeutung zu unterstreichen. Schön auch, dass sie bedauern, dass
sie in Europa Autogramme geben und Top-Gagen kassieren können,
während sie in Detroit niemand mit dem Arsch anschaut.
Das Leben, das ich immer wollte
Von Guiseppe Picconi (Originaltitel: La Vita che Vorrei)
(Italien 2004)
Film im Film:
Zwei Schauspieler eines Historien-Schinkens verlieben sich, verlieren
sich, finden sich schließlich wieder. Eigentlich ein Lore-Roman
für Intellektuelle, aber mit guten Darstellern und
hochkarätig gemacht. Schauspieler nehmen sich eben sehr wichtig,
halten ihre belanglosen Affären für ganz großes Kino
und ihre sonstigen, persönlichen Beziehungen für dramatische
Events. Viel zu lang zieht sich der Film mit tiefen Blicken und
schweren Dialogen dahin, aber man freut sich ja schon, wenn
überhaupt mal wieder ein italienischer Film im deutschen Kino
ausgewertet wird.
Crank
Von Mark Neveldine & Brian Taylor
(USA 2006)
Großer
Spaß: Westentaschen-Willis Jason Statham als Gangster, dem eine
Injektion mit einem chinesischen Gift langsam das Licht ausbläst.
Seine einzige Chance: Er muss seinen Adrenalinspiegel permanenent hoch
halten. Also rast er durch LA; Autoverfolgungsjagden,
Schlägereien, Schießereien, Sex auf öffentlichen
Plätzen, Hektik, Stress ohne Ende. Alles läuft wie ein
Videospiel, immer ist ´was los. Interessante Kamera-Perspektiven,
natürlich ein Soundtrack aus Metal und Punk, es fliegen die
Fetzen, und das Ganze ist das pure Ironie-Festival mit wirklich
gelungenen Gags. Nach 85 stürzt der Held aus einem Hubschrauber
auf ein Autodach und hat Ruhe – lange nicht mehr so gelacht!
Marie Antoinette
Von Sofia Coppola
(USA 2006)
Der Nachfolger
von “Lost in Translation” ist ein aufwändiger
Kostümfilm über die Königin Frankreichs, die das Pech
hatte, auf der Guillotine zu enden. Gespielt wird sie dummerweise von
Kirsten Dunst, die sehr gut amerikanische Teenager und Twens
hinbekommt, aber nie den Eindruck einer europäischen Prinzessin
erweckt. Die Idee, diese Story mit Sex, Drogen und
Rock-and-Roll-Soundtrack anzureichern (Gang of 4 bis Strokes), ist
genehmigt. Aber so schwankt das Ganze zwischen bemühter,
historischer Genauigkeit und Passt-Schon-Spaß. Sofia steht voll
auf Seiten der Königin, die ein Vermögen verjuxte,
während das französische Volk hungerte, aber das ist eine
akzeptable Eighties-Position und es macht Spaß zu sehen, wie das
Protokoll von Versailles funktionierte, bis die Jakobiner alle kurz und
klein schlugen. Die Hinrichtung von Marie Antoinette bleibt dem
Zuschauer erspart.
Sehnsucht – Ein Liebesfilm
Von Valeska Grisebach
(Deutschland 2006)
Das ist die
Berliner Schule (von der momentan groß ´rumgehyped wird) in
Reinkultur. Brandenburgischer Feuerwehrmann lebt eine glückliche
Ehe mit schlichter Frau im Dorf. Bei einem Betriebsausflug lernt er
eine andere kennen und kann nicht widerstehen. Er liebt sie beide, aber
das geht natürlich nicht…
Es spielen viele
wirkliche, dörfliche Menschen mit, die Schauspieler sind
glaubwürdig, die Dialoge wirken spontan improvisiert. Es gibt
viele, lange Einstellungen auf Sitzgarnituren und Kaninchen, das Drama
kann seine ganze Wucht entfalten – Neorealimus aus Deutschland,
sogar ohne halbe Treppen und Hartz-IV-Dramatik. Guter Ansatz, aber
niemand will das im Kino sehen. Aber da bleiben wir auf jeden Fall
dran...
Little Man
Von Ivory Wyans
(USA 2006)
Harmlose
Komödie vom Scary-Movie-Regisseur. Miniaturgangster (Tricktechnik)
tarnt sich als Findel-Baby, um an einen Diamanten zu kommen, den er bei
einer Middle-Class-Familie versteckt hat. Der Rest ist Sit-Com mit
sanften Anzüglichkeiten und Gangsta-Witzchen. Nach 40 Minuten
sollte jeder genug gesehen haben. In Amerika läuft so was wegen
einer klar umrissenen Zielgruppe ganz gut (young and afro-american),
bei uns ist das ein garantierter (und verdienter) Flop.
Der Kick
Von Andres Veiel
(Deutschland 2006)
Ein verfilmtes
Theaterstück, das auf Interviews, Vernehmungsprotokollen und
Gerichtsakten basiert. Zwei Schauspieler sprechen alle Texte. Es geht
um den brutalen Mord dreier Jugendlicher an einem Freund, verübt
2002 im Brandenburgischen Potzlow.
Wie immer
versucht Veiel dabei, deutsche Realität zu erkunden, begreifbar zu
machen. Den Schauspielern gelingt es, die Protagonisten transparent zu
machen.
Ich frage mich
danach, wie es weitergehen soll mit der Moral und der Jugendkultur
– ganz wichtig, wenn auch diskutabel und mehr Fragen stellend als
Antworten findend.
Der die Tollkirsche ausgräbt
Von Franka Potente
(Deutschland 2006)
Völlig
Banane: 45 Minuten eines Pseudo-Stummfilms über eine Familie des
Jahres 1918, die im Garten einen Punk der Gegenwart ausgräbt. Dazu
kommen noch Zaubersprüche, Hände aus der Unterwelt, ein
süßer Hund udn ein Mann, der in ein Huhn verwandelt wird.
Ein völlig sinnfreier Ulk, eine Art Fingerübung für
X-Filme, wo Franka wahrscheinlich tun und lassen kann, was sie will. So
etwas bekommt dann das Prädikat „Besonders wertvoll“
– eigentlich ein Uni-Abschlussfilm.
Candy
Von Neil Armfield
(Australien 2006)
Noch ein
Junkie-Drama, das viel realistischer als etwa „Requiem for a
Dream“ daherkommt. Ein Pärchen (umwerfend dargestellt von
Abbie „Somersault“ Cornish und Heath
„Brokeback“ Ledger) macht alles durch von
Beschaffungskriminalität, Prostitution, Cold Turkey, Knast,
Klapse, Trennung, Familienfeiern inkl. Hochzeit, Eifersucht, Methadon,
Stadt- und Landleben.
„Ja, so
ungefähr muss das wohl sein“, denke ich mir dabei. Und ich
bleibe dran, wegen der zügigen Handlung, den überzeugenden
Konflikten und einer plausiblen Auflösung.
„Don’t
try tis at home“, grüßt auch Tim Buckley und sein
“Song to the Siren” – sehr gut, auch ohne
größere Überraschungen.
Sommer 04
Von Stefan Krohmer
(Deutschland 2006)
Grimme-Preisträger
Krohmer versucht sich hier an einer wilden Liebesgeschichte, die
zugleich einen Generationskonflikt zeigen soll. Und so kommt es, dass
hier viel rumgevögelt wird: Als neue, deutsche
„Sexbombe“ dabei: Martina Gedeck, die ja schon in
„Elementarteilchen“ eine eigentlich unpassende Rolle
spielen musste.
Das Ganze spielt
im Sommer an der Nordseeküste, wo eine 13jährige allen den
Kopf verdreht, bis Martina zur Tat schreitet und den besser aussehenden
Mann kassiert (der einen furchtbar anstrengenden Ami-Akzent spricht).
Dazu kommen höchstdramatische Entwicklungen, die vielleicht im
Fernsehen noch spektakulär wirken, fürs Kino aber einfach zu
konstruiert wirken (von den Dialogen ganz zu schweigen).
World Trade Center
Von Oliver Stone
(USA 2006)
Was aus
Altlinken so alles werden kann, beweist wenig überraschend Oliver
Stone mit diesem Hohen Lied auf den Durchhaltewillen, die Familie und
die Kameradschaft. Zwei Cops werden unter dem WTC verschüttert und
später wieder gefunden – das ist die Geschichte von 130
langweiligen Minuten. Dazwischen leiden Ehefrauen und zeigen sich
Kinder tapfer. Immerhin wird keine Fahne geschwenkt. Hauptdarsteller
ist Nick Cage, der wieder bedeutungsvoll schauen kann und muss, weil er
die meiste Zeit unter einem Felsbrocken eingeklemmt liegt.
Wholetrain
Von Florian Gaag
(Deutschland 2006)
Noch ein Film
über die Graffiti-Szene: Im Zentrum diesmal eine Crew, die in
einer ungenannten Stadt gegen eine andere antritt und U-Bahn-Wagons
besprüht. Einer steigt gerade ein, einer will ´raus
(Kunstakademie), einer ist Problem Child (hat mich sogar an DeNiro in
Mean Streets) erinnert, einer Dönerbudenfritze.
Das klingt nach
nicht viel Handlung und dauert auch nur max. 80 Minuten, aber als
Milieustudie über Jugendliche, denen die Szene wichtiger ist als
jede Art von Guten Ratschlägen und Repressalien, ist das sehr
glaubwürdig erzählt (und auch gespielt). Der Regisseur hat
obendrein einen fähigen HipHop-Soundtrack gemacht, der zur
Authentizität beiträgt.
Trennung mit Hindernissen
(The Break-Up)
Von Peyton Reed
(USA 2006)
Gilt als
Komödie. Eine Alltagsgeschichte über ein Paar in Chicago, das
sich trennt. Vince Vaughn ist ein Proll, der nach der Arbeit fernsehen
und Videogames spielen will. Jennifer Aniston ist eine kultivierte
Galerienangestellte. Das kann nicht gut gehen, das kann eigentlich gar
nicht zusammen gehen, aber trotzdem empfinden beide heftigen
Trennungsschmerz. Nicht nachvollziehbar. Nach der Vorführung frage
ich die Dame von der Presseagentur: „Warum um Himmels Willen
hängt die Frau so an diesem Typen?“. Sie: „Sind nicht
alle Männer so?“. Ich finde Nein. (aber ein paar gute
Sitcom-Gags sind dabei).
LONELY HEARTS (USA 2006)
von Todd Robinson mit Salma Hayek, John Travolta…und noch ein paar bekannten Nasen.
(lief auf dem Münchner Filmfest)
Zunächst
ist das mal wieder so ein „hartgesottener“ Krimi.
Abgebrühte Cops treffen auf psychopathische Killer. Lässig
und sarkastisch – ein durchschaubares Konzept, aber
natürlich auch wohlig vertraut…
Wahre Geschichte
aus den 40er Jahren: Heiratsschwindler und seine Geliebte bringen
reihenweise Frauen aus der Lonely-Hearts-Club-Band um.
Schließlich laufen sie Amok, werden gefasst und hingerichtet.
Gegenpol-Cop
(Travolta) ist selbst in fieses Schicksal verstickt (Selbstmord der
Ehefrau), hat und nutzt aber hier die Chance, noch mal die Moral
aufleben zu lassen.
Sauteuer
poduziert, sehr brutal und eben wieder ein Beweis, dass Amerikaner
Aliens sind, allein schon wegen der Todesstrafe (für die dieser
Film auch irgendwie ein Plädoyer ist).
Der internationale Idiot • Roderich Fabian • Journalist Website