VYBZ KARTEL
“J.M.T.”
(Greensleeves)

Bester Beweis dafür, dass Reggae entwicklungsfähig ist,
und zwar in der gleichen Richtug wie immer:
Die Ami-Musik (in diesem Fall R&B) gibt die Vorgaben, schlaue Jamaika-Produzenten folgen und fügen dem Ganzen einen eigene Touch hinzu. Auch die Band hat sich entwickelt. Unbedingt empfehlenswert.




THE LONGCUT
“A Call and Response”
(Deltasonic)

Eine Britband, die denkt, dass U2 das Höchste der Gefühle sind. Aber das ist ein Irrtum!
 


AMP FIDDLER
“Afro Strut”
(Genuine/ Wall of Sound)

Warum hat der keinen Major-Vertrag? Der Fiedler ist der Nachfolger Marvin Gayes auf Erden. Er schreit wunderbare Soul-Songs, ist auf dem neuesten Stand der Technologie, wirkt authentisch und glaubwürdig und hat dem R&B sogar noch Neues hinzuzufügen (Dixieland- und Afro-Einflüsse z.B.). Wahrscheinlich ist Amp Fiddler zu gut für die Welt der Scheinheiligkeit. Supergut, ne!
 
 
 
LO-FI-FNK
“Boylife”
(Moshi Moshi)
 
Wie lebt es sich als Boy in Skandinavien? Offenbar nicht so schlecht, denn man hat elektronisches Equipment (wenn auch nicht das beste), lässt relativ naiv-unbeschwert ein paar Elektro-Pop-Songs vom Stapel und verhebt sich natürlich ordentlich, wenn man wirklich Fnk machen will – aber vielleicht wollten sie tatsächlich Lo-Fi-Fink sein und haben deshalb das „u“ weg gelassen.
 
 
 
KANTE
“Die Tiere sind unruhig”
(Labels/ EMI)
 
Nie mehr Blumfeld für Arme! Aber wie macht man das? Indem man die Stücke verlängert, so etwas wie eine Ahnung von Rock and Roll einflicht und Lebensweisheiten von sich gibt, die sich Distelmeyer nie getraut hätte. Und so wird hieraus das beste Kante-Album (was eine Schätzung ist, weil ich nicht alle gehört habe).
 
 
 
MADSEN
“Goodbye Logik”
(Vertigo/ Universal)
 
Gar nicht so schlimm wie ich dachte. Es kommt eben immer auf die Erwartungen an. Natürlich sind Madsen die Howard Carpendales der Gegenwart, obwohl sie so gerne Tocotronic sein würden. Die Texte sind Quatsch, aber ich habe drei Stücke ausgemacht, die man sich ohne sofortige Zahnschmerzen anhören kann.
 
 
 
THE SUNSHINE UNDERGROUND
“Raise the Alarm”
(City Rockers/ Red Ink)
 
Typische Rockfunk-Band aus Leeds, die aber massives Talent beweisen. Ein überdrehter Sänger (Freddy Mercury-verdächtig) schreit und wispert sich durch vorwiegend tanzbare Tracks. Ach wenn dieser ewige Brit-Hype einem auf die Nerven gehen kann, freue ich mich schon jetzt auf eine Poser-Show der Band im Atomic (wo sie hingehören).
 
 
 
DEARS
“Gang of Losers”
(Bella Union)
 
Treffender Titel mit Angeber-Sänger (schon wieder aus Kanada).
 
 
 
BODYCODE
“The Conservation of electric Charge”
(Ghostly)
 
Wunderbar – eine Elektro-Platte, die durchweg gefällt, ohne dass ich genau erklären kann, warum gerade diese. Ein Brite, der in Lissabon lebt, wechselt zwischen Vocal- und Instrumentaltracks, erinnert mich an Laurent Garnier in seinen besten Tagen, ist immer funky, macht nicht zuviel und nicht zu wenig. Keine Ausfälle und durch die Bank inspiriert.
 
 
 
SUGARPLUM FAIRY
“First Round First Minute”
(Vertigo/ Universal)
 
Sportfreude Stiller aus Schweden – sehen sehr jung aus und arbeiten sich durch Oasis- , Libertines- und Beatles-Einflüsse. Aber alle Songs sind zu sehr auf Eingängigkeit und/ oder Feuerzeug-Faktor getrimmt, Wieder einmal fällt das eigentlich durch, weil es obendrein saublöde Songs gibt, die in die nicht totzuschlagende Schlagerseligkeit verfallen.
 
 
 
CONTROLLER.CONTROLLER
“X-Amounts”
(Paper Bag)
 
Bandname und Titel des Albums klingen moderner, als das ist. Die Kontrolleure sind eine der vielen neuen Kanada-Bands, die das europäische Interesse nun für uns zugänglich macht. Im Grunde rocken die permanent im Mid-Tempo-Bereich, ohne weiter aufzufallen. Einzige Besonderheit ist eine Sängerin, die optisch und akustisch anmutet wie Sängerinnen von 70er-Jahre-Hardrpck-Bands (Shocking Blue, Babe Ruth, Stone The Crows), aber die brauchen kein Comeback.
 
 

MEKON presents
“Some Thing came up”
(Wall of Sound)
 
Auch wenn Mekon schon lange dem „Dance“-Kosmos zugerechnet wird, seine Ursprünge liegen bei Psychick TV, also in den dunklen Untiefen der Punk-Avantgarde der 80er. Hier ist das deutlicher denn je zu hören: Stargäste wie Bobby Gillespie und Alan Vega steigen hinab in Mekons Beat-Gruften, was den Spaß an der Sache nicht unbedingt erhöht. Nur die tanzbaren Tracks (maximal drei) machen Sinn, alles andere klingt wie schlecht gegessen.
 
 
 
STRANGE FRUIT PROJECT
“The Healing”
(Om)
 
Texanische HipHop-Gruppe, die sich auf Softness, Soulfulness und Deepness verlegt hat. Bei einem Stück tritt sogar Erykah Badu in Erscheinung. Das Intro verspricht viel: Chöre aus Sun Ras Arche shwellen an, aber dann kommt immer dann, wenn’s spannend zu werden verspricht, eine Gefälligkeit daher. Und das summiert sich dann eben zu einer ungesunden Heilung.
 
 
 
 
SHOOTING AT UNARMED MEN
“Yes! Tinnitus!”
(Too Pure)
 
Gegründet vom Ex-Bassisten von McLusky ist dies eine echte Perle und Entdeckung. Formal und inhaltlich Punkrock im besten Sinne – The Fall bis Fugazi sind die Referenzpunkte. Alles sehr engagiert und wild vorgetragen. Am Ende kommt die ganze Sauce soz. als Cut-Up-Bonustrack noch mal, und es stört überhaupt nicht, es doppelt zu hören, ohne Tinnitusprobleme zu bekommen.
 
 
 
KINN
“Karlshorst”
(Sinnbus)
 
So ´was wie eine Supergroup, vergleichbar mit International Pony, d.h. bekannt sind die drei Beteiligten nur Eingeweihten. Star ist FS Blumm, der auch das schnuckelige Coverfoto beigesteuert hat.
Dies ist der neue Krautrock: Intelligent, auf alle Effekte verzichtend, verspielt und oft einfach schön und schön einfach. Lässt mich auf die Heimat hoffen (und Madsen vergessen).
 
 
 
BROADCAST
“The Future Crayon”
(Warp)
 
Compilation mit EPs, B-Seiten und sonstigem „seltenen“ Kram, aber trotzdem sehr gut. Broadcast verstehen es eben, sowohl Sixties-Psych-Pop-Songs als auch absolut relevante Instrumentaltracks zu zaubern. Dies ist so etwas wie eine Werkschau, sogar mit Hits aus einer besseren Welt. Undimmer wieder sehe ich vor dem geistigen Auge das Raumschiff Orion landen.
 
 
 
CONSOLE
“Mono”
(Disko B)
 
Zurück in der Heimat (auf einem bayerischen Indie-Label, nämlich) fühlt sich Gretschmann hörbar wohl. Elf Tracks gnadenloser Schönheit – ob’s plänkelt oder auch mal gruselt, ob die Sängerin zart darüberweht oder Cluster gecovert werden, alles ist hier am richtigen Ort und wahrscheinlich auch zur richtigen Zeit, frei von den Zwängen des Sich-Verkaufen-Müssens. (Langsam werden’s mir zu viele schöne Platten in diesem Monat.)
 
 
 
GROWING
“Color Wheel”
(Rock Action)
 
Ein schottische Duo auf den Spuren von Robert Fripp und Brian Eno. Growing veröffentlichen zwar auf dem Mogwai-Label, aber dies ist keine Rockmusik, sondern langes, flächiges Soundexperiment, das sicherlich ´was hat, aber nicht dazu geeignet ist, im Hintergrund zu laufen, während man sich im Vordergrund Gedanken um die Welt macht.
 
 
 
THE MOUNTAIN GOATS
“Get lonely”
(4Ad)
 
Beim letzten Album von John Darnielle haben alle gerufen: „Genie!“. Die Folge: Jetzt glaubt er es selbst und liefert eine introvertierte Platte ab, die sich selbst gefällt und hinter früheren Werken zurückbleibt, weil kein Hang mehr zu Hooklines und Rock-and-Roll zu erkennen ist. Nicht schlecht, aber eigentlich unnötig (und obendrein zu früh).
 
 
 
JAN DELAY
“Mercedes Dance”
(Buback)
 
Die Hitplatte des Monats, ganz klar – dem Funk, den schlauen Texten, den Ohrwürmern, sogar Udo Lindenberg und der Rio-Reiser-Schnulze kann sich kein Deutscher entziehen. Respekt. Die Platte wird stehen bleiben als Meilenstein in deutscher Popmusik (auch dank massiver Promotion und Allgegenwärtigkeit, aber das gehört dazu).
 
 
 
KLEE
“Zwischen Himmel und Erde”
(Ministry of Sound)
 
Spex hat die immer gut gefunden, weil sie aus Köln sind. Dabei ist Klee immer noch und immer wieder bemüht, die neue Nena zu werden. „Ech bän echt total faknallt“-mäßig sägt die Sängerin in ewiger, westfälischer Pubertät. Auch die 2raumwohnung ist nicht weit entfernt und jetzt fragen sich alle, warum die Charts nicht anspringen wollen. Vielleicht sind Klee dafür einfach wiederum zu schlau. So`n Pech.
 
 
 
“Rio Baile Funk
- More Favela Beats”
(Essay)
 
Bin ja kein Spezilist für brasilianischen HipHop, aber im Vergleich zur ersten Compilation glaube ich eine Weiterentwicklung beobachten zu können. Noch immer gibt es diverse Tracks, die wie Old School 1981 klingen, aber die Production Skills haben sich verfeinert und immer mehr R&B-Elemente fließen ein (was nicht unbedingt von Vorteil ist).
 
 
 
FIVE HORSE JOHNSON
“The Mystery Spot”
(Small Stone)
 
Unglaublich, dass es immer wieder solche Bands gibt (vor allem in Amerika). Purer Hardrock, der  in den besten Momenten an Danzig und Motörhead erinnert. „Schweiß im Schritt“ hat das mal ein Kollege treffend bezeichnet. Ab und zu darf noch eine Juicy-Lucy-Slide-Gitarre Gas geben. Das darf man in politisch korrekten Zeiten nicht gut finden – und deshalb habe ich dafür eine zarte Neigung.
 
 
 
Collector Series Part 1
THE MODERNIST
“Popular Songs”
(Faith)
 
Gesammelt werden hier diverse Tracks, die angeblich schwer zu downloaden sind. Jörg Burger hat exquisite Tracks gefunden, die fast alle so klingen, als er sie selbst ge-(re)-mixt. Elegente Elektro-Gediegenheit von Koze bis Oye. Am Ende gibt´s dann mit Scritti Politti eine echte Homage an den Großmeister – wunderbar für nächtliche Autofahrten.
 
 
 
BENNI HEMM HEMM
“Benni Hemm Hemm”
(Morr Music)
 
Saublöder Name für eine relativ saublöde Platte. Benni ist Isländer und hat Bläser und Streicher aufgefahren, die ihn bei seinen bescheidenen Gesangsdarbietungen begleiten. Angestrebt ist „Großer Pop“, Ergebnis ist bedröhntes Dexedrin-Running mit Mitleidsbonus.
 
 
 
CAMERA OBSCURA
“Let´s get out of this Country”
(Elefant)
 
Der Titel ist so zu verstehen, dass hier eine schottische Band in Schweden aufgenommen hat. Trotzdem bleibt das natürlich schottisch, d.h. Belle und Sebastian (in deren Schatten C.O. bislang standen), aber auch 90er-Britpop, vor allem aber die frühen Sechziger Jahre (Everley Bros) lassen grüßen. Die Sängerin singt zauberhaft, irgendwann erstickt dann alles im Kitsch, aber da haben sie dich schon lange überzeugt.
 
 
 
MALENTE
“How can you still stand to stand still?“
(Unique)
 
Ein deutscher Gute-Laune-DJ, der natürlich weltbekannt ist (wie alle DJ’s, wenn sie ihre eigenen Platten bewerben). Anfangs klingt das so doof auf stumpfe Effekte hin produziert, dass das Album schon auf der Kante zur Tonne lag, aber dan kommen doch noch gaz nette Electric Boogie Tracks, die irgendwo zwische Miami Bass und Seventies-Disco landen und tatsächlich den Sinn erfüllen können, den sie von Anfang an haben: Nämlich den Dancefloor zu beleben.
 
 
 
HAL WILLNER
präsentiert… “Rogue´s Gallery”
(Anti-)
 
Doppel-CD-Compilation, die anlässlich des albernen zweiten Johnny-Depp-Piratenfilms über uns kommt. Wie immer iost es Herrn Willner gelingen, große Stars von Bono bis Lou Reed zu überreden, Songs beizusteuern. Es handelt sich fast ausschließlich um uralte Lieder aus dem englischen Gesangbuch, Traditionals über die Seefahrt, das Piratenleben und trunkene Sailors. Ich mag dieses Hey-Ho-Zeug überhaupt nicht, immerhin wurden beim Anhören an den klassischen Weihnachts-Vierteiler „Die Schatzinsel“ wach, aber auc Jim Hawkins und Long John Silver wollte ich nie singen hören.
 
 
 
BURIAL
“Burial”
(Hyperdub)
 
Zauberplatte eines anonymen Briten, die nur auf den ersten, flüchtigen Eindruck hin als Dub bezeichnet werden kann. Gegen diese Einordung sprechen sowohl diverse Vocal-Tracks als auh Drun-and-Bass-Elemente. Aber nicht die hektik oder die Tanzbarkeit sind hier das Ziel, sondern leicht schaudernd machende Deepness. Eine der seltenen Werke, wo einem nicht sofort billige Referenzen einfallen – Sound of 2006!
 

 
SOLO ANDATA
“Fyris Swan”
(Hefty)
 
Nicht abgehobene, aber gehobene Instrumentalmusik von zwei Amerikanern, denen klassische Ausbildung ebenso wenig fremd ist wie die Regeln des Jazz. Nach dem ersten Hören bleibt zwar nichts hängen, aber tiefer Respekt vor Musikalität und unbestimmt angenehmer Stimmung macht sich breit.
 
 

KLEZ.E
“Flimmern”
(Loob Music)
 
Das soll der große Wurf für diese Band werden. Das Cover kommt mit allerlei Schnickschnack und Hochglanz daher, die Texte üben harte Kappikritik, die Musik ist voluminös. Klez.e wollen nicht Teil, sondern Anführer einer Jugendbewegung sein. Aber der Hardcore-Background, den ein Teil der Musiker hat, schimmert immer durch. Dazu leider auch eine überproduzierte Hektik und Verwaschenheit, die verhindert, dass sich dieses Flimmern wirklich einhakt und Freude macht – naja, alles Gute wünsche ich…
 
 
 
THE HANSOME FAMILY
“Last Days of Wonder”
(Loose)
 
Noch so eine Pärchen-Band, die ich eigentlich sehr schätze. Auch diesmal gibt’s viele schöne, subtile Country-Nummern, aber der pietistische Vollbart von Brett Sparks hat ein bisschen grauschwarz auf die Musik abgefärbt: Manchmal mutet die Musik regelrecht fundamentalistisch an, so pur und rein wie ein Sonntagmorgen in Mountain View, Arkansas (z.B.). Vielleicht hat es mit der Weltlage zu tun, dass mir das auf dauer zuviel wird, aber natürlich bleiben sie meine Herziboppis.
 
 
 
THE BLACK NEON
“The Black Neon”
(Memphis Industries)
 
Nix Besonderes: Ein Engländer, der angeblich einen Hang zur deutschen Elektronik der 70er hat, aber hörbar auf einer Heaven-17-Spandau-Ballet-Diät hochgezogen wurde. Das Beste ist noch ein Track, der komplett nach „Baby Blue“ von Dylan klingt, aber „Cast a Light“ heißt.
 
 
 
MOBILE
“Tomorrow starts today”
(Universal)
 
Hurra! Endlich der Beweis, dass aus Kanada auch schlechte Platten kommen können. Hirnloser Rock aus Toronto.
 
 
 
PIPETTES
“We are the Pipettes”
(Memphis Industries)
 
Die neuen Bananarama aus Brighton versuchen, so Sixties wie möglich zu klingen. Das ist charmant und wird einen Sommer lang genügen, das Interesse aufrecht zu erhalten.
 
 
 
MICHAEL FRANTI AND SPEARHEAD
“Yell Fire!”
(Anti)
 
Der Gute Mensch von San Franzuan hat wieder mal ´was aufgenommen. Angeblich stehen die Songs unter dem Einfluss seiner Reise in den Nahen Osten, wo er auch einen Film gedreht hat. Das Problem mit Franti bleibt, dass er keine gute Musik machen kann, sondern sich an zweifelhaften Vorbildern wie U2 und Bob Marley orientiert, ohne sie erreichen zu können.
 
 
 
HUSH PUPPIES
“The Trap”
(Faith)
 
Französische Band, die sehr geradeausen, wenig überraschenden Powerrock spielt. Nicht völlig doof, immerhin. In den besten Momenten gehen diese Stomper als Energieentladung durch, so wie bei Punkplatten der ersten Stunde.
 
 
 
AUF DEM WEG INS KAUFHAUS ERLEDIGTE ICH NOCH EINEN KLEINEN HAUSKAUF
“Zufall für alle”
(Schinderwies)
 
Münchner Elektro-Frickler, dem das Talent aus allen Poren quillt. Im weitesten Sinne ist dies Ergebnis, wenn man viele Morr Music Platten gehört und Notwist gemocht hat. Als Überraschung gibt’s manchmal Bläsersätze und anmutige Piano-Fills. Unbedingt empfohlen.
 
 
 
NAS presents NASHAWN
“Napalm”
(X-Ray)
 
Ein HipHop-Star featured in bester Jazz-Tradition einen jüngeren Spezi. Leider kommt nichts Besonderes dabei zum Vorschein -außer ein paar hörenswerten Standards. Seltsamer Weise sind die meisten Tracks sehr kurz, wirken wie Skizzen. Für ein Rap-Album mit 45 Minuten entsprechend kurz, was aber meine schöne Zeit gespart hat.
 
 
 
VIVA VOCE
“Get yr Blood sucked out”
(Full Time Hobby)
 
Lieblingsplatte des Monats (bislang) – Ami-Duo, völlig Rock and Roll, irgendwie das, was die Kills seit Jahren vergeblich versuchen zu erreichen. Mir ist klar, dass hier natürlich auch bestimmte Klischees bedient werden: Jede Menge „Fuck“ in den Lyrics, Indie-hafte Produktion, Velvet-hafte Lässigkeit. Aber selbst wenn sich die Beiden größer machen, als sie eigentlich sind, so gibt es hier jede Menge Songs, die hängen bleiben. Und obendrein ist’s ein Album, das als solches funktioniert (was die große Ausnahme ist).
 

 
AMY MILLAN
“Honey from the Tombs”
(Arts & Crafts)
 
Völlig großartiges Country-Album von einer Frau, die aus dem Broken-Social-Scene-Umfeld kommt. Anfansg denkt man noch, da schielt jemand auf den allmählich verwaisenden Thron von Emmylou Harris, aber dann hat das durchaus eine ganz eigene Wucht, die in der Reduktion und der eleganten Instrumentierung liegt. Bewegt sich von Bluegrass bis Syd-Barrett-Psychedelia und ist (langweilig, ich weiß) ein weiterer Beweis, dass Kanada das bessere Amerika ist.
 
 
 
CURSIVE
“Happy Hollow”
(Saddle Creek)
 
1000 Ideen für 14 Songs – so klingt dieser Kreativitätswahnsinn von Tim Kashers reaktivierter Band. Im weitesten Sinn ist dies schon Pop, aber sie brechen immer alles mit Prog-Rock, Zappa-esken Spielereien und versteckten Zitaten von Bowie bis Ferdinand. Jedenfalls höchst respektabel. Kasher ist besser als der Saddle-Creek-Star Conor Oberst.
 

 
PAJO
“1968”
(Drag City)
 
Ex-Tortoise und dann auch noch auf dem respektablen Label – eine sichere Bank? Diesmal nicht. David P. treibt’s diesmal zu weit mit seinen anschmiegsamen Klampfsongs, die er komplett solo  im Mehrspurverfahren auf dem Laptop gebaut hat. Ich denke da komischer Weise immer an die britische Band „Matthew’s Southern Comfort“, die in den frühe 70ern auch nur permanent implodiert ist. Immerhin: Der Klassiker „Let it be me“ ist drauf, aber auch hier bevorzuge ich die Version von z.B. Sonny & Cher.

 

LAMBCHOP
“Damaged”
(City Slang)
 
„Haben Frauen ´was Magisches?“, fragt Jean-Pierre Léaud in Truffauts „Amerikanischer Nacht“. Umgewandelt kam mir das beim Hören von „Damaged“ in den Sinn. „Hat Kurt Wagner ´was esoterisches?“. Ich glaube schon. Nach so viel Ruhm (vor allem in Deutschland) kann ich mir vorstellen, dass er sich für ein entrücktes Wesen hält, dessen Gedanken ur Läuterung der Menschheit dienlich sei können. So jedenfalls klingt die Platte: Zwischen Namensvetter Richard und indischen Mantras changiert Lambchop auf hohem Bedeutungsniveau. Der einst charmante Nashville-Ansatz ist geschwunden zugunsten komplexer Altherren-Magie. Moment, möchte man Kurt zurufen, so wichtig biste denn auch wieder nicht. Das bessere "Damaged" bleibt das  von Black Flag.
 
 

KEB’  MO’
“Suitcase”
(Epic)
 
Kaum zu fassen: Da sitzt einer im Superluxusstudio in LA mit den besten Muckern der Westküste und spielt Blues. Aber man hört eben, dass es sich hier nicht um den Schrei der geschundenen Seele, sondern um ein ausgesprochen ausgefuchses Marketing-Konzept handelt. Manchmal darf man als Ry-Cooder-Fan aber auch launig darüber hinwegsehen. Leider bin ich kein Ry-Cooder-Fan.
 
 
 
THE WHITEST BOY ALIVE
“Dreams”
(ACS)
 
Keine Ahnung, ob die überhaupt schon draußen isr. Jedenfalls haben wir’s hier mit Erlend Oye (Kings of Con) und seiner neuen, akustischen Band zu tun. Alles klingt sehr rudimentär, die verspielen sich auch öfter, aber trotzdem ist das sehr sympathisch. Erinert mich auch ständig an ganz frühe Cure (3 Imaginary Boys) – intensiv, melancholisch, meldodramatisch. Empfohlen!
 
 
 
RHYTHM & SOUND
“See Mi Yah Remixes”
(Basic Channel)
 
Automatisch sakrosankt sind ja eigentlich alle Auswürfe von R&S, weil sie das Wesen des Reggae nicht nur erfasst, sondern sogar erweitert haben. Alle haben auch hierüber schwer gejubelt, aber es hätte auch eine gepflegte 4-Track-Maxi getan, da die Originalversionen eigentlich schon alles (und oft besser) sagen.
 
 
 
JOHNNY CASH
“American V – A Hundred Highways”
(American)
 
Lange habe ich sie stehen lassen, diesen Nachzügler aus Rick Rubins Regal. Lange habe ich gedacht, dass es Gründe haben muss, warum diese Songs ursprünglich nicht veröffentlicht wurden. Tatsächlich klingt Cashs Stimme manchmal so gebrochen, dass man das Ende nahen hören kann, aber trotzdem: Hier sind einige Unverzichtbarkeiten drauf, das deepe „God’s gonna cut you down“ und vor allem das zauberhafte „Rose of my Heart“.
Es wäre eine würdige letzte Platte (aber das ist nur ein schöner Traum).
 
 
 
HOME OF THE LAME
“Here of all Places”
(Grand Hotel Van Cleef)
 
Das Rührendste an dieser Platte ist das Info-Bladl von Labelchef Thees Uhlmann. Da drückt er aus, wie sehr ihm die Mitglieder der Band ans Herz gewachsen sind. Die Musik ist dann im weitesten Sinne Country-Rock, aber diesmal merkt man, dass es Schweden und keine Amis sind, die hier die Pferde gesattelt haben. Wenn sie wie die Eagles klingen, sind sie noch am Besten, und das ist kein Kompliment für ausbaufähige Weinerlichkeit.


THE SLEEPY JACKSON
“One was a Spider, One was a Bird”
(Virgin)
 
Auch diese Platte verstehe ich nicht ganz. Los geht´s mit jeder Menge George-Harrisongs, später geht´s immer mehr in Richtung „Smiley Smile“-Vokalarrangement. Alles wirkt sehr ambitioniert, auf der Suche nach dem Großen Pop, aber dazu gehört doch eigentlich, dass unvergessliche Melodien entstehen. Und daran hapert’s. Musik, die ein Begleitbuch benötigt.
 
 
 
 
ISLANDS
“Return to the Sea”
(Rough Trade)
 
Semi-geniale Musiker aus Montreal, die viel bei Brian Wilson und Mercury Rev gelernt haben. Manchmal mischt sich auch Country ein. Ausnahmsweise wird hier mal der Anspruch erfüllt, ein „Album“ machen zu wollen – eine seltene Gabe.
 
 
 
YOUNG PEOPLE
“All at once”
(too pure)
 
Spinnertes Zeug mit Sängerin aus England, typisch Too Pure, aber manchmal glänzt das sehr schön zwischen früher Björk und den Young Marble Giants. Natürlich sind alle Texte todtraurig.
 
 
 
WILLIE COLON
“OG: Original Gangster”
(Fania)
 
Den Mann kannte ich bislang nur vom Namen her, um jetzt von dieser Compilation beschämt zu werden. Willie Colon war (un dich auch wohl immer noch) ein Großmeister der Latin Music in Nordamerika. Vor allem die Sachen aus den späten 60ern sind sensationell funky und weit besser, als was Santana in dieser Zeit gemacht haben. Ganz großes Kino, das ich viel zu spät entdeckt habe (aber gerade deshalb ein Quell besonderer Freude).
 
 
 
SPOOKEY RUBEN
"Ausfahrt Walsrode" EP
(Universal)

Wolte auch mal was Unpluggtes machen. Ist aber völlig unnötig, pseudo-intensiv, Quatsch.



“The many Facets of”
TRAVIS BLAQUE
(Unique)
 
Britischer Rapper mit Brille, also schlau? Tatsächlich. Zu sehr unterhaltsamen, aber reduzierten Beats erzählt uns Herr Blaque (aus dem Ninja-Tune-Umfeld) nicht nur Schwänke aus seinem Leben, sondern macht auch recht vortreffliche Analysen über die „Szene“, die ihn nicht selten nervt. Manko: Zu lang, aber das trifft ja auf die meisten Hip-Hop-LP’s zu.
 
 
 
RAINING PLEASURE
“Forwards + backwards”
(EMI)
 
Angeblich die wichtigste Band Griechenlands: Hört man aber gar nicht, völlig international, also kompatibel. Aber stilistisch wissen sie offenbar nicht, wo’s langgehen soll: Manchmal klingt’ s nach Marlene Dietrich, manchmal nach Easy Listening, manchmal nach Franz Griechenland.  Dann wird auch noch ABBA gecovert. Vielleicht muss man in Athen so ein Spektrum anbieten können, wenn man Gigs bekommen will.



BOOZOO BAJOU
“Juke Joint II”
(!K7)
 
Eine von diesen Mix-CDs, auf denen Musiker ihre Vorlieben offenbaren und ein paar selbstgemachte Remixe unterbringen. Hier ist das Motto Gefälligkeit, aus der Soul-Reggae-Elektro-Tunke stechen hervor: Der BB-Mix von Tony Joe Whites Klassiker „Rainy Nights in Georgia“, die coole Meters-Nummer „Heartache“ und die – ganz großartige – Single „Back up!“, das einzig Neue auf diesem Mix.  
 
 

LILY ALLEN
“Alright, still…”
(EMI)
 
Erst nach dem ganzen Hype in SZ und Spex habe ich das gekauft. Und siehe da: Ganz toller Sekretärinnen-Pop (mit vielen Schmuddelwörtern) und immer einem Touch „Tide is high“ und „Uptown Top Ranking“. Aber viel besser als Atomic Kitten oder Bananarama, die mri erstmal in den Sinn kommen.  Völlig zu Recht ist das ein schön kurzes Sommerhit-Album. Albernheit rules.  
 
 

“Me myself and Rye”
– an Introduction to the RUSSIAN FUTURISTS
(Memphis Industries)
 
Das Label hat sich ja auf die Fahnen geschrieben, dem „ganz anderen Pop“ aus England eine Chance zu geben. Manchmal (Go! Team) klappt das auch, manchmal geht’s auch voll in die Hose. Dieser Einzelheinz ist null futuristisch, sondern hat seine schlichten Songs alle mit unheimlich viel Hall zugekleistert, um harmlos-nette Botschaften los zu werden. Ab in die Flohmarktkiste damit!
 

 
FORWARD RUSSIA
„Give me a Wall“
(Dance to the Radio)
 
Rockmusik hat sich nach 1999 eben doch weiterentwickelt. So etwas wie diese Band hätte es in den vergangenen Jahrzehnten nicht geben können: Ein Hybrid aus den New Yorker Dance-Bands und diesen nervösen Scheitelrocker aus Britland. Die forwärdigen Russen sind aus Leeds, machen viel Hektik und Lärm, manchmal nervt’s dann auch beträchtlich, aber das hier ist eher Sport als Musik und muss deshalb sein.
 


MAGNETA LANE
“Dancing with Daggers”
(Paper Bag)
 
Power-Punk-Trio aus Kanada, das mich den Regler hochjuxen lässt. Von den Ramones gezeugt, von den Strokes entjungfert, ist dies ein relativ umhauender Spaß, der live besichtigt werden
muss – erst dann erweist sich, wie viel diese sehr gute Platte
der Produktion (DFA 1979) geschuldet ist.
 
 
 
SILENT POETS
”Sun”
(Nocturne)
 
Die stillen Pöten sind ein Japaner, der in der Downbeat-Ära mal sehr gefragt war. Jetzt droppt er seine Beats wechselweise zu sanftem R&B oder zu Soundtrack-ähnlichen Instrumentals. Man ahnt akademische Musikausbildung, und ich bleibe irgendwo zwischen gewogen und desinteressiert.
 
 

FOG
“Loss Leader” EP
(Lex)
 

Fog haben bislang hauptsächlich schönen Krach gemacht. Hier kommen jetzt ein paar Songs (plus Krach): Zwei Hits und auf der B-Seite singt Notwist-Markus auf bewährte Art. Kauf lohnt allein wegen des 9-Inch-Covers.
 
 


TUNNG
„Comments of the Inner Chorus“
(Full Time Hobby)
 
Noch so ein Neo-Hippie-Kollektiv (diesmal aus  England). Es hagelt Geräusche und Devendra-Banhart-Minimalismus. Unglaublich lieb, brav und friedlich – und so gut wie nichts bleibt hängen.
 


Enablers
„Output negative Space“
(Neurot 2006)
 
Anspruchsvolle Ex-Punk-Rocker begleiten den Poeten Pete Simonelli beim Vortrag seiner Gedichte – zum zweiten Mal dieses Konzept, das auch dann immer noch Freude macht, wenn man nicht auf die Texte achtet. Der Sprecher ist cool as fuck, die Musik manchmal bestens Fugazi, aber jetzt bitte nicht noch eine dritte CD mit diesem Konzept hinterherschicken.
 
 
 
THE BOY GROUP
„Love is a Frequency“
(Enduro)
 
Das ist so deutsch, dass es kracht. Irgendwie der Versuch, schwarz und r&b-ish zu klingen. Da kommt dann eigentlich dass heraus, wo HipHop ca. 1985 stand, beim Electro-Boogie mit vorsintflutlichen Rhythmusboxen und amateurhaften Gesangsaufnahmen. Trotzdem gibt es ein paar auflegbare Tracks und Durchgeknalltheiten à  la Jeans Team. Die Deutschen werden freudig dazu tanzen…
 
 
 
TAPES `N TAPES
„The Loon“
(XL)
 
Der neueste Hype aus Amerika und tatsächlich nicht schlecht: Extravagante Vocal-Arrangements, viel nervöser als Death Cab for Cutie und Konsorten. Manchmal ist es mir dann auch zu sperrig, weil denen der Funk völlig abgeht. Bärtige Indie-Nasen werden damit gut angeben können.
 
 
 
MR LIF
Mo` Mega
(Definitive Jux)
 
Begeisterung: Hier stimmt alles, was der unbeugsame Fan von HipHop braucht. Natürlich ist es vor allem Public Enemy, an die erinnert wird (Heavy Gitarren, politische Botschaften, Kompromiss- und Zeitlosigkeit). Es gibt sie also noch, die Rapper, die sich nicht von Versprechungen und falschen Idealen blenden lassen (hallelujah, gepriesen und gebenedeit seine ihre Namen). Natürlich ist Mr.Lif Brillenträger und natürlich hat El-P produziert (Kandidat für Jahresbestenliste).
 
 
 
Switchstance Recordings presents
“FANTASTIC FREERIDING”
 
Compilation eines Labels aus Moers, das den Downbeat noch nicht aus den Augen verloren hat. Die Acts hier sagen mir vom Namen her gar nichts, das Tracklisting habe ich verloren (weil meine Katze aufs Cover gekotzt hat, so dass ich es entsorgen musste). Aber trotz alledem: Vor allem die Instrumentals sind sommerlich anschmiegsam, mal jazzy, mal reggae, mal einfach nur sweet. Da werden mich manche Kollegen wieder mal für steinigen, aber ich glaube, die Switchstance-Posse sind liebenswerte Leute (and you hear it).
 
 

MY ROBOT FRIEND
Dial 0
(Soma)
 
Die erste LP dieses New Yorkers fand ich sensationell, die hier ist aber auch nicht schlecht. Ist ein anscheinend bestens vernetzter Laptopper, der hier Antony (ohne Johnsons), Zombie Nation und noch ein paar andre Nasen zu Hilfe holt, um acht Songs zu bauen, die vor allem durch Coolness und Eingängigkeit bestechen. Es gibt ein paar Hits, mit denen du beim Auflegen garantiert Fragen generieren wirst, aber insgesamt ist das irgendwie ein Zwischen- (vielleicht auch schon) Abschluss-Werk eines bemerkenswerten, begnadeten und immer noch aufregenden Part-Time-Musikers.



MOCKY
Navy Brown Blues
(Four Music/ Sony BMG)
 
Motzki hat sich durch seinen Genie-Streich “Sweet Music” einen bis heute recht lukrativen Vertrag gesichert. Dieses Album hat kein „Sweet Music“ zu bieten, dafür sehr gefälligen Funk mit Solo- und Duett-Gesang. Man hat am Ende das gefühl, eine „angenehme“ Platte gehört zu haben, kann sich aber an keinen einzelnen Track erinnern. Wenn man weiß, wie viel Mühe es kostet, solch` ein Ding aufzunehmen, ist es fast schade drum. Funky Soul Musik aus dem Niemandsland.



RAN SLAVIN
„Insomniac City“
(Mille Plateaux)
 
Ran ist Künstler aus Tel Aviv und veröffentlicht auf Frankfurts Neuer Schule. Muss man mehr sagen? 76 Minuten instrumentale Dauerwürste, die als Soundtrack für alles dienen, was ihr wollt. Das eigentliche Ding ist die assoziierte DVD, die diese schlaflose Stadt erst in Szene setzt und morbid einordnet. Dazu: Ausführliches Booklet mit Text von MP-Achim und Szenenfotos. Wir lernen: Stadtentwicklung ist kein Honigschlecken.
 
 
 
THOM YORKE
„The Eraser“
(XL Recordings)
 
Was wäre, wenn Thom Yorke ein Newcomer und nicht der Sänger von Radiohead wäre? Man würde dem Mann ein gerüttelt Maß an Talent bescheinigen, würde seine Kombiantion von Songwriting und anspruchsvoller Elektronik loben und über seine Texte rätseln. Man würde ihm eine große Zukunft versprechen und die Remixe einzelner Songs würden einige Wochen lang die Tänzerherzen erfreuen. Verkaufen ließe sich diese Platte jedoch kaum – sie bliebe ein Insidertipp und Kritiker-Darling.
Und so ist es ein doppeltes Glück, dass Thom bereits reich und berühmt ist und sich diese Zicken nicht nur leisten kann, sondern allseits auf offene Ohren stößt. Will sagen: Erstmal Pflichtplatte – später fällt dann allen irgendetwas Abschätziges darüber ein, aber dann haben wir bereits wieder andere Probleme.
 
 
 
Cortney Tidwell
„Don’t let Stars keep us tangled up“
(Ever Record – bei uns über !K7)
 
Die Dame kommt zwar aus Nashville, macht aber beileibe keine Country Music. Dafür hat Nachbar Kurt Wagner ausgeholfen. Erstmal denke ich: Sehr ambitioniert und schlau und um die Ecke komponiert, bin ganz fasziniert, was alles noch geht. Aber je länger die Platte dauert, desto mehr driftet diese Innenschau ab: In Richtung 4AD Records einerseits, in Richtung „Sing dich frei“, exemplarisch vorgeturnt von Björk. Trotzdem: Manche werden das so independent finden, dass sie sich verlieben könnten (wovon ich hiermit abrate).
 
 
 
AMMONCONTACT
„With Voices“
(Ninja Tune)
 
Stimmen sind die Ausnahme bei der Musik dieses kalifornischen Hip-Hop-Projektes. Aber hier kommen die geballt, ausschließlich aus korrekten Kehlen: Prince Po, Yusef Lateef und Mia Doi Todd etc. Wie immer bei AC hat das überhaupt nichts mit dem üblichen LA-Rap zu tun, orientiert sich eher an dem „Auftrag“ des Labels, nämlich Inspiration und eine moderne (und immer auch leicht gewagte) Form von Gemütlichkeit.
Ich mag das Alles sehr: Führt es mich zu Tribe Called Quest und sogar auf die Baumwollfelder zurück.Schägt  alles, was weiter unten aufgelistet ist.



JAMES FIGURINE
„Mistake Mistake Mistake Mistake”
(Monika Enterprise)
 
In Deutschland gilt er als Genie: Jimmy Tamborello, der vor allem als Dntel deutsche Herzen erobert hat (meines ja auch). Der vierfache Fehler ist ein Elektro-Pop-Album, wo ganz hinten der ewige Depeche-Mode-Einfluss schlummert. Aber bestimmend ist hier schon der pure 90er-Techno-Einfluss (gemixt hat John Tejada). Am Besten sind einerseits der Hit „55566688833“, andererseits das hoppelnde Instrumental „White Ducks“. Die Stargäste, auf die man hier sehr stolz ist, fallen eigentlich nicht ins Gewicht. Aber: Ein Genie-Streich ist es gerade nicht, eher einer aus der Hüfte. Doch das muss sein.
 

 
LEICHTMETALL
„Wir sind Blumen“
(Karaoke Kalk)
 
Zwei singende Münchnerinnen am Glockenspiel plus Gebläse und elektronischer Aufarbeitung – das zweite Album wischt erst mal den Novelty-Faktor beiseite. Der Titeltrack ist ein Hit, so eine Art neue Nationalhymne zwischen Bescheidenheit, Selbstironie und schlauem Selbstbewusstsein. Aber leider: Das hätte schon gereicht. Es folgt der gleiche Ansatz noch und nöcher, aber jetzt nicht mehr prägnant, sondern nur noch beliebig. Meine Frau und meine Tochter haben’s nicht mehr ausgehalten, als wir die CD im Auto gehört haben. Manchmal ist’s charmanter, es bleiben zu lassen.



NINA KINERT
„Let there be Love“
(Another Records, Schweden – bei uns über V2)

 Soll wohl eine Art Antithese zu AC/DC oder der Bibel sein (siehe Titel). Das Info weist mehrfach darauf hin, dass sie gut aussehend ist. Gesungen wird auf englisch, meistens sweet bis bittersweet und countryhaft. Alles der pure Eklektizismus, für den die Schweden ja eine besondere Ader haben.
Die Songs sind allesamt ein Hauch von Nichts, will sagen: Nichts bleibt hängen, weil es eben hingehaucht ist. Aber alles ist auch schick, Kitsch im klassischen Sinne wird vermieden, so dass es dringend Zeit ist, den Begriff von Kitsch neu zu überdenken.
 

 
 
 
 




 
 
 
Der internationale Idiot • Roderich Fabian • Journalist Website
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Idiotenplatte